Wie das „Ochsenklavier“ vor über 100 Jahren entstand und schließlich zu seinem Namen gekommen ist
Nach einem Text von Detlev Johannes
in der „Piffelkumer Kerwezeitung“ 1998
Dem Fremden, der nach einem Spaziergang durch Pfiffligheim oder an der Pfrimm entlang an das Pfiffligheimer Wehr gelangt, werden die Steinstufen auffallen, die sich quer durch das Bachbett ziehen. In kaum einem anderen Fluss Deutschlands lässt sich etwas ähnliches finden und diese „Steinquader-Brücke“ ist früher oftmals ein Ausflugspunkt gewesen.
Eine bekannte Zeitung unseres Raumes lud vor hundert Jahren hier zu einem Pfrimmdurchgang ein: „Für jedermann ist in Pfiffligheim seit neuestem eine Leiter gebaut, die auf einfachstem Weg sogar nicht Schwindelfreie durch das Wasser geleitet. Die Leiter schaukelt nicht, denn die Sprossen sind aus festem Stein, trittfest und eng beieinander. Selbst einer, der kurze oder ungeschickte Beine besitzt, kommt hier sicher durch die Pfrimm, auch wenn sie zu mancher Zeit reißend dahinschäumt. Die Steine sind zudem so breit, dass sich sogar mitten im Fluss zwei Passanten begegnen können, weil sie, falls sie nicht zu dicklich sind, leicht aneinander vorbeikommen“.
Diese Zeilen waren nicht ganz ohne Absicht geschrieben, denn jene freundliche Berichterstattung vor hundert Jahren weist mit keinem Wort auf die Schwierigkeiten und Nöte hin, die ehemals beim Bau dieser „Treppenstufen“ die Pfiffligheimer Gemüter bewegte. Es war die (geplante) Anlage des (späteren) Karl-Bittel-Parks 1898, die an dieser Stelle eine Pfrimmüberquerung nötig machte.
Manche Pfiffligheimer glauben heute noch, dass das sogenannte „Ochsenklavier“ bereits aus dem Mittelalter stammt. In Wirklichkeit ist es aber etwas jünger als der Park selbst.
Als dessen Bau begann, wurde plötzlich deutlich, dass man durch Park und Einzäunung nach Osten völlig von der Pfrimm, ja sogar von der Nachbargemeinde Hochheim, abgeschnitten war. Denn der einzige Holzsteg über die Pfrimm lag jetzt im abgesperrten Parkgelände.
Also trugen die Pfiffligheimer durch ihren Bürgermeister Geiger dem Privatier Karl Bittel ihre Sorgen vor. Bittel versprach sofort, auf eigene Kosten eine neue Verbindungsbrücke über die Pfrimm zu schlagen.
Als dann Steintreppen auf beiden Hangseiten zur Pfrimm führten und sich schließlich in dem Pfrimmbett die Betonstufen wie die schwarzen Tasten am Klavier hervorhoben, schauten sich die das Werk begutachtenden Pfiffligheimer und Hochheimer verdutzt an. Die neue Pfrimmbrücke hatte man sich anders vorgestellt. Die Gefahr, hier ins Wasser zu fallen, wurde nun Karl Bittel hinterbracht, sei „bei dieser Art Brücke“ zu groß. Der aber ließ ausrichten, es müsste schon ein Ochs sein, der beim Überqueren der breiten Steinstufen ins Wasser fallen würde.
Über diesen Ausspruch soll man in unserem Dorf nicht gerade gelacht haben. Der Gattungsname „Ochsenklavier“ für die neue Pfrimmfurt hat sich allerdings nicht bereits nach dem Ausspruch Bittels, sondern erst später durchgesetzt.
Nachdem nämlich im Spätherbst 1898 ein Wormser – sein Name ist überliefert – vom Hochheimer Landgasthaus „Zum Römergarten“ kommend die sensationelle Neuheit begutachten wollte, landete er – seine noblen Lackschuhe geschultert – letztendlich in den Fluten der Pfrimm. Die Begebenheit machte die Runde und die Pfiffligheimer meinten, so unrecht habe Karl Bittel gar nicht gehabt. Langsam bildete sich dann der Name „Ochsenklavier“ heraus, der so eigentümlich ist, wie der Steinstufenweg selbst.